„Kreativ, gewagt und am Puls der Zeit.“ (Mathias Schmollmüller, Publikum)
ICH. Dieses Wort, umrahmt von bunten Farbspuren, prangte an einer Wand im BRG Steyr und sorgte dort für Verwirrung. Dahinter verbirgt sich eine Performance des Wahlpflichtgegenstandes Bühnenluft zum Thema Identität. Als künstlerischer Akt, bei dem sich die Performer*innen unterschiedlicher Ausdrucksformen aus Theater, Literatur, Film oder Musik bedienten, bildet das Bild das große Finale einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich.
Schmerzliche Anfragen
Vor einem ganz kleinen Publikum hat die Performer*innengruppe ihre Performance am 28.06.2022 dargeboten. Gekleidet in weiße Maleranzüge wurde das Publikum begrüßt und in einen steril wirkenden Raum geführt. Mittels einer Soundcollage wurden die Zuschauer*innen in einen Zustand der Verunsicherung gesetzt. Wozu bist du überhaupt hier? Wieviel bist du wert? Kannst du überhaupt irgendwas? … Diesem folgte ein Sprechchor, der einen Ausschnitt aus Mira Lobes „Das kleine Ich-bin-Ich“ zum Tönen bringt. „Denn ich bin ich weiß nicht wer, dreh mich hin und dreh mich her, dreh mich her und dreh mich hin, möchte wissen, wer ich bin“.
Das kleine Ich-bin-Ich als Muster
Mira Lobes Kinderbuchklassiker „Das kleine Ich-bin-Ich“ bildet das strukturelle Gerüst für die gesamte Performance und spendet ausgewählte Zitate für die zum Teil improvisierten Szenen der Performer*innen. Das kleine Ich-bin-Ich wird im Buch durch einen Frosch gefragt, wer oder was es eigentlich sei. Die Performer*innengruppe hat diese Frage auf die postmodernen Lebenswelten Jugendlicher umgemünzt. Sie wurde dabei zur Anfrage an die eigene Identität überhaupt und berührt die oft schmerzvolle Auseinandersetzung mit Idealvorstellungen und Zuschreibungen von außen.
Szenen aus der jugendlichen Lebenswelt
In einer ersten Szene spricht der Spiegel mit dem jugendlichen Ich und konfrontiert es mit zahlreichen Wertungen in Bezug auf den eigenen Körper. Sukzessive wird jeder Teil des Körpers des ICHs kritisiert. Die Herkunft der Stimmen bleibt hierbei ungeklärt. Die zweite Szene konfrontiert das ICH in einem schulischen Kontext damit, dumm zu sein. Die negative Beurteilung einer Schularbeit wird zu einer quasi wesenhaften Zuschreibung („Dumm! Bumm!“). Das ICH kann sich in dieser Situation selbst aber nicht einbringen. Lediglich eine innere Stimme vermag es, seine Gefühlswelt vernehmbar werden zu lassen. Die dritte Szene widmet sich der Social Media Welt und dem mitunter in ihr erzeugten Druck, den Anforderungen des Schönen, Erfolgreichen, Glücklichen genügen zu müssen. Das ICH scrollt durch seinen Instagram-Feed, dessen Verheißungen einer glücklichen Identität aber nur in Abgrenzung zur eigenen Realität wahrgenommen werden können.
Die Wende
Wo nun das ICH sich in einer sowohl äußerlich als auch innerlich farblosen, d.h. leblosen Welt befindet, führt die Erkenntnis derselben zu einem Umschwung im eigenen Selbstverhältnis und im Verhältnis zu der Welt. In einem über die Grenzen des Genormten hinausgehenden, kathartischen Akt wird die Welt im momenthaften Erleben in neue Farben getaucht. Das ICH weiß sich hierbei aber nicht allein, sondern in eine Gemeinschaft eingebettet. Innerhalb dieser entsteht eine neue Umwelt, in die sich Körper und Geist einschreiben können.
Fotocredit: © by BRG Steyr Michaelerplatz